„Hallooo!“ Freundlich werde ich am Empfang begrüßt. Ich kenne mich aus und husche schnell rein in den Friseursalon. Dort ist nämlich unsere Zaubertür – als Heike reingehen und als Ella wieder rauskommen. Heute bin ich mit Kalotta unterwegs. Meine Kollegin ist schon da, ist schon fast umgezogen, also mehr Kalotta als Kirsten. Schnell schlüpfe auch ich in die Klamotten. Jetzt noch Zöpfe, Stirnband und Schminke – Nase nicht vergessen – und dann kann es nach einem gemeinsamen Aufwärmspiel losgehen. Halt – Akkordeon noch umgeschnallt! Da klopft es auch schon an der Tür und wir werden von einer Mitarbeiterin abgeholt. Auf dem Weg zum Fahrstuhl begegnen wir bereits zwei Bewohnerninnen auf dem Flur. Es kommt zu einem Pläuschchen über die wunderbaren Pullovermuster und dann ist der Fahrstuhl auch schon da. Als er sich in der zweiten Etage öffnet, gelangen wir direkt ins Geschehen. In der Sitzecke haben sich einige Bewohnerinnen versammelt und plaudern.

Mit großem Hallo werden wir in Empfang genommen. Schnell sind wir mittendrin. Wir nehmen uns die Zeit, jeden einzelnen persönlich, mit Handschlag und Augenkontakt zu begrüßen. Es entstehen kurze Gespräche, wir hören zu und finden ein gemeinsames Thema: Urlaubsreisen. Ella erzählt theatralisch von IHRER letzten Reise.

 

Da werden zwei Menschen gebraucht, die ein großes blaues Tuch halten und die Wellen des Meeres schwingen, weitere pusten den Wind und dann wird auch schon mal ein Rollator zum Schiff umfunktioniert. Ella selbst sitzt mittlerweile auf einem kleinen Tisch, der einen Felsen darstellt, auf dem sie ihren Morgenkaffee trinkt und über das Meer schaut. Kalotta fällt ein, dass „am Sonntag Ellas Süßer mit ihr Segeln gehen“ wollte. Gemeinsam machen wir „eine Reise ins Glück“ und schmettern alle zusammen laut und fröhlich Lieder. Anschließend wird über noch ausstehende Traumziele philosophiert, die unbedingt noch bereist werden müssen. Und dann müssen auch WIR schon weiterreisen, verabschieden uns abermals mit einem schmetternden Lied und auch wieder bei jedem persönlich. Unterwegs zum nächsten Wohnbereich machen wir Halt für zwei Zimmerbesuche.

Bei Zimmer Nummer eins klopfen wir laut an und fragen, ob wir reinkommen dürfen. Jawohl, wir dürfen!! Sollte dies nicht der Fall sein, ist das auf jeden Fall auch in Ordnung und wir ziehen einfach weiter. Heute aber sind wir erwünscht. Wir stellen uns vor, entdecken die wundervollen Blumen auf der Fensterbank und wir erfahren, dass Frau K. (Name frei erfunden) früher einen großen Garten hatte. Sie liebte die Pflanzen und Tiere, die Gartenarbeit und sich darin aufzuhalten. Wir sprechen über Blumenduft, Erde an den Händen und Bienensummen. Kalotta zaubert einen Schmetterling aus einem Blatt Papier – Ella faltet einen mit – und lässt ihn aufs Bett flattern.

Nach einiger Zeit ist es Frau K. genug. Sie bedankt sich für den Besuch, wir bedanken uns, dass wir ihren schönen Garten kennenlernen durften und flattern mit dem zweiten Schmetterling wieder hinaus. Im zweiten Zimmer wohnt Frau M. (Name frei erfunden), die nicht mehr in der Lage ist, ihr Bett zu verlassen. Müde vom Leben fällt allein das Augen offen halten schwer. Hier klopfen wir an und betreten langsam und leise das Zimmer. Wir begrüßen die Bewohnerin mit einer sanften Berührung und kommunizieren über Augenkontakt. Schnell spüren wir, dass viel Energie zu anstrengend ist und verständigen uns auf ein kleines Lied. Anstelle von Ellas Akkordeon kommt hier Ukulele oder auch nur eine Spieluhr zum Einsatz. Alles andere wäre viel zu laut. Ella setzt sich vorsichtig auf die Bettkante und streichelt sanft Frau M.´s Hand. Als „die Gedanken sind frei“ verklungen ist, atmen wir noch ein wenig gemeinsam und dann spüren wir, dass es in diesem Zimmer genug ist. Wir ziehen weiter in den Wohnbereich. Auf dem Weg sammeln wir weitere Bewohner ein und fahren wie mit einem Bus weiter.

In der nächsten „Station“ finden wir abermals mehrere Menschen zusammen sitzend. Wir nehmen eine Bewegung eines Menschen auf, verstärken sie und landen beim Holzhacken. „Ja klar, wir hacken eine Tanne im Wald! Und überhaupt … warum soll man denn eine Tanne nur zu Weihnachten aufstellen- oder Kalotta? Es ist doch so schön, eine geschmückte Tanne zu haben!“ Schnell findet jeder etwas zum Tanne schmücken und auch einige Bewohner und Bewohnerinnen steuern etwas bei. Wir singen „Oh Tannenbaum“ und natürlich fallen den Bewohnern und Bewohnerinnen noch andere Weihnachtslieder ein. Herr D. (Name frei erfunden) holt seine Mundharmonika aus der Tasche und stimmt mit ein. Wer überhaupt sagt, dass man Weihnachten nur zur Weihnachtszeit feiern darf?

So und so ähnlich ziehen wir regelmäßig in wechselnden Clownsduos durch das Haus, besuchen Menschen in ihren Zimmern oder begegnen Ihnen im Gruppenraum, auf dem Flur oder m a n c h m a l e b e n a u c h i m F a h r s t u h l . D i e Begegnungen sind so individuell wie die Menschen, mit denen sie stattfinden. Allen gemeinsam ist jedoch, dass für uns niemals wir als Clown, sondern immer das Gegenüber der Hauptakteur ist und jeder Spielmoment improvisiert ist. Mit feinem Gespür nehmen wir Stimmungen und Situationen wahr, finden gemeinsam SpielGegenstände und entwickeln daraus unser Spiel mit den Bewohnerinnen und Bewohnern – manchmal werden auch Mitarbeiter oder Angehörige einbezogen.

Wir gehen in Aktion, auf Gedankenreisen, singen manchmal auch nur ein leises Lied oder hören zu. Wir nehmen die Menschen wahr, ihre Emotionen auf und an, sind ganz im Moment. Wir lachen und weinen gemeinsam, sind wütend, machen Blödsinn und erlauben uns Dinge, die sonst nicht erlaubt sind oder keinen Platz im Alltag finden. Mit Humor und manchem Über – Mut schwingen Menschen das Tanzbein oder tippen Luftballons, fangen Seifenblasen, summen Melodien mit oder schicken Juchzer in den Raum, kommen aus sich heraus und tun Dinge, von denen alle anderen Anwesenden überrascht sind.

Die Bewohnerinnen und Bewohner vergessen einen Moment ihren Alltag, erleben Freude und Spaß, oder fühlen sich einmal mehr wahrgenommen und gesehen. – Und manchmal erreichen wir Clowns Bewohnerinnen und Bewohner in ihrer Welt, in die wir Menschen nicht folgen können und sie kommen wieder einen Moment in unsere Welt. Nach zwei Stunden lauten und leisen Tönen, berührenden Momenten des Kontaktes, Gesang und Tanz, manchem Abenteuer und persönlichen Erlebnissen schlüpfen wir wieder durch die Zaubertür – dieses mal rein als Ella und Kalotta und raus als Heike und Kirsten! Ohne rote Nase, abgeschminkt und b epackt mit unseren Koffern und Instrumenten verlassen wir erschöpft, aber selber reich beschenkt das Haus! „Tschüß! Bis zum nächsten Mal!“

 

Danke, dass wir diese Begegnungen in Ihrem Haus haben dürfen!

Heike Engmann alias Clownin Ella von Clownskontakt e.V. – gemeinnütziger Verein